1715 – Grundsteinlegung für das ehemalige Pack- und Lagerhaus und jetzige Rathaus

P1030453Wir schreiben das Jahr 1715: Auf den Peleponnes und in Kroatien tobt der ‚Venezianisch-Österreichische Türkenkrieg‘ und der Tod des Sonnenkönigs Ludwig XIV beendete die längste Regentschaft eines französischen Monarchen. Im gleichen Jahr, als der kleine Ort Sieburg mit seinen 16 Jahren mitten in seiner Pubertät steckte, wurde mit der Grundsteinlegung des Karlsruher Schlosses die Stadt Karlsruhe begründet – sie ist also jünger als das jetzige Bad Karlshafen (Quelle: Wikipedia).

Am 8. Juli 1715 erfolgte die Grundsteinlegung für das sogenannte Pack- und Lagerhaus am Hafenplatz, das heutige Rathaus der Stadt Bad Karlshafen. Begleiten Sie mich also gerne zurück in die Geschichte des ehemaligen Pack- und Lagerhauses, eines landgräflichen ‚Absteigequartiers‘ und späteren Rathauses.

Was ist Ihre erste Erinnerung an das Rathaus der Stadt Bad Karlshafen? Meine ist, dass wir in der ersten Hälfte der siebziger Jahre auf der mächtigen Holztreppe des Rathauses standen und auf unsere Schluckimpfung warteten. Wir, das waren die Grundschüler der Sieburgschule des Einschulungsjahrgangs 1973. Lang ist es her – seitdem war ich oft dort, um alle möglichen Formalitäten zu erledigen – in der ‚landgräflichen Absteige‘. Doch dazu mehr im vollständigen Beitrag.


Die ursprüngliche Nutzung

Die Geschichte des Pack- und Lagerhauses begann zu einer Zeit, als bereits 38 französische Familien in der Stadt lebten. Die Grundsteinlegung erfolgte 1715 und nach der Fertigstellung sollte das Gebäude schnell zu dem werden, was man heute ein ‚Mehrzweckgebäude‘ nennt.

Zunächst einmal war das Erdgeschoss als Lager- und Packgebäude vorgesehen, in dem die über die Weser transportierten Schiffsladungen sowie die zu Land ankommenden Waren umgeladen, umgepackt und gelagert werden sollten. Eigentlich unverständlich, dass Karlshafen, wie beispielsweise Warburg, keine Hansestadt war. Aber das lag daran, dass zur Zeit der Gründung des Ortes Sieburg die Blütezeit der Hanse bereits beendet war.

Das Zwischengeschoss beherbergte auf der einen Seite die Wache und das Gefängnis, während sich auf der anderen Seite Küchenräume befanden.

Das repräsentative Obergeschoss war für die Ratsversammlungen und die Belange der Kaufmannschaft vorgesehen. Dort befindet sich der barocke Landgrafensaal, in dem die Landgrafen Besucher empfingen und Gerichtsverhandlungen abhielten. Außerdem musste das repräsentative Obergeschoss nach Meinung des Kunsthistorikers Dehio auch als ‚landgräfliches Absteigequartier‘ gedient haben, schließlich wurde das Jagdschloss und spätere ‚Hotel zum Schwan‘ erst nach 1763 errichtet.

Rathaus ist das Gebäude seit 1920, wobei immer wieder Räume vermietet wurden, beispielsweise an das Gericht.


Das Gebäude

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Wenn man sich das heutige Rathaus anschaut, fallen einem zwei Dinge gleich ins Auge: Erstens ist es höher als die Gebäude links und rechts. Zweitens ist es durch den Laubengang mit dem schönen Kreuzgewölbe auch in der räumlichen Dimension größer als die Nachbargebäude. Im Laubengang befanden sich früher Schuppen, die Räume des Erdgeschosses dienten früher als Keller- und Lagerräume. Über dem Laubengang befinden sich heute die Räume der Stadtverwaltung, früher war hier, wie bereits erwähnt, unter anderem das Gefängnis. Haben Sie sich eigentlich schon einmal gewundert, warum dort auf der einen Seite noch immer so eine massive Tür verbaut ist?  Weitere Verwaltungsräume, das Büro des Bürgermeisters sowie der Landgrafensaal befinden sich im zweiten Stock, den man über die besagte schwere Holztreppe erreicht. Zwei interessante Dinge gibt es zum Dach des Rathauses zu sagen: Erstens hatte es, wie früher alle Dächer des Hafenplatzes, eine Sandsteineindeckung. Diese wurde jedoch auch Kostengründen entfernt. Das einzige Haus mit Sandsteineindeckung rund um den Hafen ist nun das Weinhaus Römer. Zweitens kann ich mich noch daran erinnern, dass einstmals ein Seil zwischen Rathaus und evangelischer Kirche gespannt war, auf dem dann ein Seiltänzer/eine Seiltänzerin entlang gelaufen ist. Leider konnte ich bislang noch nicht herausfinden, in welchem Jahr das war.  

Vor dem Rathaus stand übrigens bis 1928 das sogenannte Wiegehäuschen, dort wurden die ankommenden Schiffe be- und entladen.

Übrigens: Der städtebauliche Entwurf sah ein zweites Gebäude gleicher Bauart auf der anderen Hafenseite vor, ebenso wie ein zweites Invalidenhaus am Ende der Friedrichstraße geplant war. Einen Eindruck gibt hierzu das in der Rathaushalle befindliche Modell – ein Idealplan der ursprünglich vorgesehenen Stadtarchitektur.  

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Rätselhafte Fertigstellung

Wann das Gebäude letztlich fertiggestellt wurde, da sind sich die Quellen nicht ganz einig: Die Kasseler Sparkasse spricht in ihrem Buch ‚Landgraf Karl und die Gründung von Karlshafen 1699-1999‘ von einer Fertigstellung im Jahr 1718, das Regio-Wiki der HNA gibt dafür das Jahr 1719 an und Kupertz datiert sie gar auf das Jahr 1722. Werden eigentlich noch Wetten angenommen? Ich glaube hier der Angabe der Stadt, die es ja wissen sollte und den Fertigstellungszeitpunkt auf das Jahr 1718 datiert.

Es gab im Übrigen noch zwei weitere wichtige Ereignisse im Jahr 1715 Karlshafen betreffend, aber dazu an anderer Stelle mehr.


Quellen und Anregungen zum Weiterlesen

Bohn, Robert (2000): 1699-1999 Karlshafen – Wirtschafts- und Sozialgeschichte der Hessischen Planstadt aus der Barockzeit, Reihe ‚Beiträge zur Geschichte der Stadt Karlshafen und des Weser-Diemel-Gebiets‘, Band 11, Verlag des Antiquariats Bernhard Schäfer, Bad Karlshafen.

Kasseler Sparkasse (Hrsg., 1999) Landgraf Karl und die Gründung von Karlshafen 1699-1999, Verlag Weber & Weidemeyer, Kassel.

Kupetz, Sigrid (2000): Karlshafener Häuser – mehr als schöne Fassaden, Reihe ‚Beiträge zur Geschichte der Stadt Karlshafen und des Weser-Diemel-Gebiets‘, Band 12, Verlag des Antiquariats Bernhard Schäfer, Bad Karlshafen.

Regiowiki der Hessisch-/Niedersächsischen Allgemeinen Zeitung (HNA).

Wikipedia.

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