Günter Geiling (Bensheim)
Ende der Fünfziger Jahre hatte der Karlshafener Kaufmann Albert Benkert (geboren am 24. September 1922) einen Kiosk an der Saline. Während seiner Zeit im Kiosk rauchte er gerne ab und zu mal eine Zigarette. Wie er so da saß und ein Streichholz in der Hand hielt, kam ihm der Gedanke, ob er nicht einmal ein kleines Musikinstrument aus diesen Hölzern bauen könnte. Er setzte seine Idee in die Tat um und baute er seine erste, kleine Geige von etwa zehn Zentimetern Länge.
Er konstruierte gleich noch eine weitere kleine Geige, bevor er auf die Idee kam, das gleiche Musikinstrument in Originalgröße herzustellen. Er machte sich ans Werk und es entstand ein wundervolles Instrument – typisch gemasert durch die abgebrannten Köpfe der Streichhölzer.
Nach diesen ersten Erfolgen bekam er immer mehr Lust, weitere Instrumente zu bauen. So beschaffte er sich Literatur aus dem Musikinstrumentenbauwesen, studierte eingehend die Formen, Statik, Zargen, Boden- und Deckenkrümmungen, Maße und Klangkörper.
Doch gab es ein Problem: Wo sollte er die Unmengen an Streichhölzern herbekommen? Ganz einfach: Er inserierte in Zeitungen und anderen Medien und es dauerte gar nicht lang bis säckeweise Streichhölzer aus allen Bundesländern sogar aus Italien bei ihm zu Hause in seiner kleinen, beschaulichen Wohnung eintrafen. Er hatte kaum noch Platz im Wohnzimmer und Keller und die Familie war auch nicht gerade begeistert. Dennoch hielt er an seinem Vorhaben fest.
Im Laufe der Zeit baute er eine weitere Geige, einen Kontrabass (450.000 Hölzer), ein Akkordeon mit 80 Bässen und 7 Register (80.000 Hölzer) – das absolute Schmuckstück seiner „Bauwerke“ –, eine Gitarre, eine Hawaiigitarre, eine Mandoline, ein Banjo, ja sogar eine Trompete ohne Ventile, eine Conga, Bongos und ein Schüttelrohr. Experten hielten es für unmöglich, eine Trompete aus Holz zu bauen, die auch noch wie eine Trompete klingen sollte. In die Schnecke des Basses integrierte er eine Zigarettenschachtel mit der Bauanleitung, „damit der, der das später mal liest, sich eine anstecken kann“. Insgesamt entstanden zwölf Instrumente – alle waren und sind bespielbar und erzeugen einen dem „Holz“ entsprechenden vollen, warmen Ton.
Anfangs, in den 60iger Jahren, stellte Benkert die Instrumente im heute nicht mehr existierenden „Hotel Deutsches Haus“, dem späteren „Weißen Hirsch“ in der Mündener Straße in Karlshafen aus. Ebenso wurden die Instrumente in der Touristensaison öfters im Rathaus Foyer vorgestellt. Dann aber geschah längere Zeit nichts, bis Reinhard Gavel aus Karlshafen sich mit dem Erbauer zusammensetzte und sie gemeinsam begannen, Lieder auf den Instrumenten zu spielen. Reinhard, der mir als 14-jähriger das Gitarre spielen beigebracht hatte (er zeigte mir neun Akkorde …), holte mich hinzu und meinte, dass wir mit den Streichholz-Instrumenten unbedingt an die Öffentlichkeit müssten. Gesagt, getan: Wir probten in Albert Benkerts Wohnzimmer – wieder zum Leidwesen der Familie – bis wir ein Musikrepertoire für circa eine Stunde zusammengestellt hatten.
Die erste kleine Geige von etwa zehn Zentimetern Länge fand einen würdigen neuen Besitzer: Im Jahr 1975 überreichte Benkert die kleine Geige im Rahmen einer Ausgabe des „Städtequiz“ Karlshafen gegen Hirschhorn im Bürgerhaus Helmarshausen an den HR-Rundfunkmoderator Werner Reinke als Geschenk.
Teil 2 des Beitrags mit dem Titel „Ungewöhnlich aber wahr und weltweit einmalig: Musikinstrumente aus Streichhölzern in Originalgröße – Teil 2: Das „Millionen-Orchester““ folgt in Kürze.
Autor:
Günter Geiling (Bensheim)
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