1704 gelingt König August II. (August der Starke) mit der Unterstützung von russischen Truppen die Einnahme von Warschau. Der sächsische Kurfürst lässt alle Häuser der Anhänger von Herrscher Stanislaus plündern und niederbrennen. Im gleichen Jahr wird Gibraltar wird von den Briten erobert. Und am 20. September wird Barbara Dietrich in Ingolstadt Opfer der Hexenverfolgung. Ein ereignisreiches Jahr.
Die Geschichte des „Hôtel des Invalides‟ begann im Jahr 1704. Der Bau dieses Gebäudes ging auf den Entschluss des Landgrafen Carl zurück „seinen im Feld der Ehre grau gewordenen und verwundeten Kriegern angemessene Pflege und hinlänglichen Unterhalt zu geben‟. In den Genuss dieser Einrichtung sollten sowohl Offiziere als auch Mannschaften kommen. Wie im Modell im Rathaus zu sehen ist, waren sogar zwei solcher Gebäude geplant – eine Planstadt wie Sieburg erforderte strenge Symmetrie. Das Vorhaben wurde jedoch aus Kostengründen aufgegeben.
Architektur
Das Invalidenhaus ist eine dreigeschossige Vierflügelanlage um einen rechteckigen Hof. Der Mittelteil des Hauptbaus mit dem Portal ist mit vier Pilastern gegliedert. Bekrönt wird er mit einem Tympanon mit dem Wappen der Landgrafschaft Hessen-Kassel. Aus dem Satteldach erhebt dort ein achtseitiger schiefergedeckter Dachreiter.
Bau und Nutzung
Am 15. März 1704 begann der Bau des Invalidenhauses, Baumeister war Friedrich Conradi. Die Errichtung erfolgte in vier Etappen: Zunächst wurde 1704 der Nordwestflügel auf der heutigen Kanalseite errichtet. 1705 folgte der Flügel mit der Kapelle auf der Straßenseite. 1706 wurde der Flügel auf der Diemel- und Kuhbergseite errichtet. Seinen Abschluss fand der Bau mit der Vollenendung des südöstlichen Flügels (Schulseite). Im Invalidenhaus befindet sich eine Kapelle, die 1708 durch den reformierten Garnisionsprediger Johann Bitter eingeweiht wurde. 1710 waren alle Arbeiten abgeschlossen und das „Hôtel des Invalides‟ konnte bezogen werden. Man geht von einer ersten Belegungsstärke von 80 Mann aus.
Während der französichen Besatzung hebt König Jerome 1806 die Funktion des Invalidenhauses auf – es erfolgen die ersten Vermietungen an Privatpersonen. Noch heute ist das Invalidenhaus ein Wohnhaus.
Die Kapelle des Invalidenhauses
Die Invalidenhauskapelle war dann auch die erste Kirche der Stadt. Sie bot bis zu 200 Gläubigen Platz, auch heute noch. Die ersten Kirchengemeinden waren die französisch-reformierte und die deutsch-reformierte Kirchengemeinde, 1713 kam eine deutsch-lutherische Gemeinde hinzu. Alle Versuche, eigene Gotteshäuser zu errichten, scheiterten vor allem an einem, dem Geld. Im 19. Jahrhundert gab es weitere Kirchenbauversuche, 1825 kam es zum Zusammenschluss der französisch-reformierten und der deutsch-reformierten Kirchengemeinde – in diesem Jahr fand auch der letzte Gottesdienst in französischer Sprache statt. 1929 schlossen sich schließlich die reformierte und die lutherische Gemeinde zur evangelischen Kirchengemeinde zusammen.
Endlich, im Jahr 1962 wurde eine eigenständige evangelische Kirche am Rand des Hafenbeckens errichtet – an der Stelle, an der früher die alte Oberförsterei gestanden hat.
Die Kapelle im Invalidenhaus wird heute von der neuapostolischen Gemeinde genutzt.
Anmerkung
Nach der Lektüre dieses Blogbeitrags ist Ihnen sicherlich der Fehler auf dem 75-Pfennig-Notgeld-Schein aus dem Jahr 1922 aufgefallen? Richtig, das dort genannte Jahr 1706 ist falsch. Aber in diesen schrecklichen Inflationszeiten hatte man andere Probleme als das richtige Baujahr eines Gebäudes auf einem Geldschein.
Quellen und zum Weiterlesen
Bohn, Robert (2000): 1699-1999 Karlshafen – Wirtschafts- und Sozialgeschichte der Hessischen Planstadt aus der Barockzeit, Reihe ‚Beiträge zur Geschichte der Stadt Karlshafen und des Weser-Diemel-Gebiets‘, Band 11, Verlag des Antiquariats Bernhard Schäfer, Bad Karlshafen.
Kasseler Sparkasse (Hrsg., 1999) Landgraf Karl und die Gründung von Karlshafen 1699-1999, Verlag Weber & Weidemeyer, Kassel.
Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Invalidenhaus_(Bad_Karlshafen)
Fotos:
Invalidenhaus: Von Jan Stubenitzky (Dehio) – Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0
Geldschein: Scanned from original by Link