Ungewöhnlich, aber wahr – und weltweit einmalig: Musikinstrumente aus Streichhölzern in Originalgröße – Teil 2: Das „Millionen-Orchester“

Günter Geiling (Bensheim)

Am 19. Oktober 1974 war es dann soweit – eine Weltpremiere nach 15 Jahren Bauzeit: Das „MILLIONEN ORCHESTRA“ (wegen der eine Million verbauten Streichhölzer) hatte seinen ersten Auftritt im barocken Landgrafensaal zu Karlshafen. Die Stuckarbeiten an der Decke ließen ohnehin eine festliche Atmosphäre aufkommen und der Saal war um 20:00 Uhr bis auf den letzten Platz ausverkauft (der Eintritt kostete damals 0,99 DM). Die erste Hälfte des Auftritts gestalteten Björn (Günter Geiling) und Raphael (Reinhard Gavel) mit diversen englischen, amerikanischen und deutschen Folksongs.

Nach der Pause trat dann das „Orchester“ auf. Die Mitwirkenden waren: Albert Benkert, Reinhard Gavel, mein Bruder Gerald Geiling, Dieter Eickenberg, Bernhard Brauner und ich. Nicht nur Einwohner aus Karlshafen und Kurgäste aus der Solestadt, sondern auch viele Auswärtige, selbst aus dem Nachbarkreis Höxter, waren gekommen, um die Uraufführung dieser Kuriosität zu erleben.

Zum ersten Mal hörte man den Klang der Instrumente, jeder war verblüfft und konnte es kaum glauben, dass aus diesen Instrumenten auch ein Ton herausgezaubert werden konnte. Kurz: Es war ein gelungenes Konzert mit begeisterten Zuhörern. Nur positive Kritiken waren aus den Medien zu vernehmen. Dieser Erfolg machte uns Mut – in der Folge wurden die Instrumente unter anderem in der Stadthalle Beverungen, in einer Kasseler Disco, beim Städtequiz „1:0 FÜR MEINE STADT“ (Karlshafen gegen Hirschhorn, Karlshafen gewann !) und in Neuhaus präsentiert und gespielt.

Nach diversen Auftritten im nächsten Umkreis von Karlshafen und zur Eröffnung des Interfolk Festivals in Osnabrück 1972 folgte eine Einladung des ZDF für Fernsehaufnahmen zu der Sendung „MENSCHENSKINDER“, die am 9. Juli 1975 im ZDF um 21:15 Uhr ausgestrahlt wurde. Der Film wurde zunächst im Rathaus gedreht – später aber verworfen und eine neue Fassung wurde direkt bei Mahlmanns im Restaurant und Hotel „Zum Weserdampfschiff“ an der Weser aufgezeichnet und auch gesendet. Weiterhin interessiert war auch das HR3 Fernsehen, Studio Kassel. Sie sendeten im November 1975 Aufnahmen aus dem Landgrafensaal. Hierbei demonstrierte Albert Benkert, wie er die Instrumente gebaut hatte. Vor dem Rathaus in Karlshafen traten die nunmehr fünf Musiker in der TV-Livesendung „DIE LEUTE VON KARLSHAFEN“ mit Werner Reinke auf.

Ein weiteres Highlight war der Auftritt in der Livesendung „KÖLNER TREFF“ mit Alfred Biolek und Georg Thoma, bei der auch Dunja Raiter, Richard Stücklen und auch Franz-Josef Strauß (er saß neben mir in der Maske) eingeladen waren.

Die absolute Krönung unserer „Millionen-Orchestra-Karriere“ war der Auftritt in der TV-Live-Sendung „NA SOWAS !“ mit Thomas Gottschalk als Moderator am Montag, dem 16. Mai 1983 um 19:30 im ZDF. Die Proben fanden schon am Freitag im Fernseh-Studio München statt und wir waren das ganze Wochenende im Holiday Inn untergebracht. In den Hotelzimmern probten wir mit dem ganzen Equipment, damit uns ja kein Fehler unterläuft. Im Restaurant des Holiday Inn trafen wir noch Hans-Joachim Kulenkampff, dem wir unser Fotoalbum präsentierten.

Mit in der Sendung waren unter anderem Trio, Marsha Haynes und Stephen Stills von Crosby, Stills, Nash and Young. Das war ein unbeschreibliches Erlebnis, bei den Großen mitzumischen und mit ihnen in der Kantine zusammenzusitzen und fachsimpeln zu dürfen – außerdem haben wir hinter die Kulissen einer Fernsehsendung schauen können. Wir waren die Einzigen, die live spielen mussten, und waren daher alle sehr aufgeregt. Bei den anderen lief alles über Playback. Albert Benkert war aus Gesundheitsgründen leider nicht dabei.

Mit dem Auftritt bei Thomas Gottschalk endete vorerst unser Abenteuer mit Film, Funk und Fernsehen. Der Grund lag nahe, da wir die Instrumente immer in Privat-PKWs transportiert haben. Bei aller Sorgfalt kann es immer mal passieren, dass ein Stück an den Instrumenten abbricht und dann im ungünstigsten Fall irreparabel sein könnte. Dieses wollten wir auf keinen Fall riskieren und aus diesem Grund hatten wir uns entschlossen, keine weiteren Auftritte mehr anzustreben.

Zur Zeit sind die wertvollen Teile bei Albert Benkerts Verwandtschaft in Deisel untergebracht, dick verhüllt und geschützt, bis sie mal wieder für eine Ausstellung, vielleicht wieder in einem Museum, hervorgeholt werden.

Es war eine super Zeit, wir haben viel vom Fernsehbusiness erfahren und einen spannenden Einblick hinter den Kulissen bekommen und dazu noch Prominenz kennengelernt.

Es bleibt zu hoffen, dass all die „Schmuckstücke“ erhalten bleiben, gepflegt werden, nicht kaputt gehen und immer wieder Begeisterung bei den Menschen hervorrufen. Für uns war es eine Ehre, nebenbei für unser Heimatstädtchen Bad Karlshafen geworben zu haben. Wir machten die Menschen durch unsere Medien-Auftritte auf Bad Karlshafen aufmerksam – wo man die Barockstadt mit ihrem Hafen in der Stadtmitte bewundern und sich die Streichholzinstrumente auch „in natura“ anschauen konnte.

Ihr Erbauer, Albert Benkert, ein musikalisches und handwerkliches Genie und Multitalent, wird wohl als eine herausragende Person, nicht nur in unserer „Weißen Stadt im Grünen“, für immer unvergessen bleiben. Albert war wie ein Freund und Kumpel zu uns und wir haben uns alle sehr gut ergänzt und gegenseitig geschätzt, privat wie auch auf der Bühne.

Er verstarb leider am 24. Juli 2005 im Alter von 83 Jahren. Wir werden ihn nie vergessen !

Für Albert Benkert und sein „Millionen-Orchester“,

einer der Mitbegründer,

Günter Geiling (Bensheim)

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Link zu Teil 1

Ungewöhnlich, aber wahr – und weltweit einmalig: Musikinstrumente aus Streichhölzern in Originalgröße – Teil 1: Die Anfänge

Günter Geiling (Bensheim)

Ende der Fünfziger Jahre hatte der Karlshafener Kaufmann Albert Benkert (geboren am 24. September 1922) einen Kiosk an der Saline. Während seiner Zeit im Kiosk rauchte er gerne ab und zu mal eine Zigarette. Wie er so da saß und ein Streichholz in der Hand hielt, kam ihm der Gedanke, ob er nicht einmal ein kleines Musikinstrument aus diesen Hölzern bauen könnte. Er setzte seine Idee in die Tat um und baute er seine erste, kleine Geige von etwa zehn Zentimetern Länge.

Er konstruierte gleich noch eine weitere kleine Geige, bevor er auf die Idee kam, das gleiche Musikinstrument in Originalgröße herzustellen. Er machte sich ans Werk und es entstand ein wundervolles Instrument – typisch gemasert durch die abgebrannten Köpfe der Streichhölzer.

Nach diesen ersten Erfolgen bekam er immer mehr Lust, weitere Instrumente zu bauen. So beschaffte er sich Literatur aus dem Musikinstrumentenbauwesen, studierte eingehend die Formen, Statik, Zargen, Boden- und Deckenkrümmungen, Maße und Klangkörper.

Doch gab es ein Problem: Wo sollte er die Unmengen an Streichhölzern herbekommen? Ganz einfach: Er inserierte in Zeitungen und anderen Medien und es dauerte gar nicht lang bis säckeweise Streichhölzer aus allen Bundesländern sogar aus Italien bei ihm zu Hause in seiner kleinen, beschaulichen Wohnung eintrafen. Er hatte kaum noch Platz im Wohnzimmer und Keller und die Familie war auch nicht gerade begeistert. Dennoch hielt er an seinem Vorhaben fest.

Im Laufe der Zeit baute er eine weitere Geige, einen Kontrabass (450.000 Hölzer), ein Akkordeon mit 80 Bässen und 7 Register (80.000 Hölzer) – das absolute Schmuckstück seiner „Bauwerke“ –, eine Gitarre, eine Hawaiigitarre, eine Mandoline, ein Banjo, ja sogar eine Trompete ohne Ventile, eine Conga, Bongos und ein Schüttelrohr. Experten hielten es für unmöglich, eine Trompete aus Holz zu bauen, die auch noch wie eine Trompete klingen sollte. In die Schnecke des Basses integrierte er eine Zigarettenschachtel mit der Bauanleitung, „damit der, der das später mal liest, sich eine anstecken kann“. Insgesamt entstanden zwölf Instrumente – alle waren und sind bespielbar und erzeugen einen dem „Holz“ entsprechenden vollen, warmen Ton.

Anfangs, in den 60iger Jahren, stellte Benkert die Instrumente im heute nicht mehr existierenden „Hotel Deutsches Haus“, dem späteren „Weißen Hirsch“ in der Mündener Straße in Karlshafen aus. Ebenso wurden die Instrumente in der Touristensaison öfters im Rathaus Foyer vorgestellt. Dann aber geschah längere Zeit nichts, bis Reinhard Gavel aus Karlshafen sich mit dem Erbauer zusammensetzte und sie gemeinsam begannen, Lieder auf den Instrumenten zu spielen. Reinhard, der mir als 14-jähriger das Gitarre spielen beigebracht hatte (er zeigte mir neun Akkorde …), holte mich hinzu und meinte, dass wir mit den Streichholz-Instrumenten unbedingt an die Öffentlichkeit müssten. Gesagt, getan: Wir probten in Albert Benkerts Wohnzimmer – wieder zum Leidwesen der Familie – bis wir ein Musikrepertoire für circa eine Stunde zusammengestellt hatten.

Die erste kleine Geige von etwa zehn Zentimetern Länge fand einen würdigen neuen Besitzer: Im Jahr 1975 überreichte Benkert die kleine Geige im Rahmen einer Ausgabe des „Städtequiz“ Karlshafen gegen Hirschhorn im Bürgerhaus Helmarshausen an den HR-Rundfunkmoderator Werner Reinke als Geschenk.

Teil 2 des Beitrags mit dem Titel „Ungewöhnlich aber wahr und weltweit einmalig: Musikinstrumente aus Streichhölzern in Originalgröße – Teil 2: Das „Millionen-Orchester““ folgt in Kürze.

Autor:

Günter Geiling (Bensheim)

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Die Straßen von Bad Karlshafen – Teil 2: Die Dichter und Denker

Der zweite Teil der Betrachtung der Ortsteile Bad Karlshafen und Helmarshausen anhand ihrer Straßennamen in der Reihe ‚Die Straßen von Bad Karlshafen‘ trägt den Titel ‚Dichter und Denker‘.

Insgesamt konnte ich bei meinen Recherchen zwölf Geistesgrößen ermitteln, die ich im folgenden gerne kurz beschreiben möchte. Natürlich sind es in der Hauptsache Schriftsteller, aber auch Philosophen und Theologen. Es befinden sich beispielsweise Dreiviertel der Dichter darunter, die man zum ‚Viergestirn der Weimarer Klassik‘ zählt. Dazu kommen ein Literaturnobelpreisträger sowie ein Heimatdichter, der aufgrund seiner Nähe zum Nationalsozialismus nicht unumstritten ist.

Eine vollständige Liste aller Straßennamen finden Sie hier.

Teil 2: Dichter und Denker

Nicht alle Namen lassen sich eindeutig zuordnen – falls es also irgendwelche sachdienlichen Hinweise geben, so würde ich mich sehr über eine Nachricht freuen.

Die Freud und das Leid des Sängertempels

Mindestens 125 Jahre steht der Sängertempel nun tapfer auf den Hessischen Klippen hoch über Carlshaven, Karlshafen und Bad Karlshafen – lange unbeachtet und jedoch aktuell leider wieder im Fokus der Diskussion: Hatte sich zunächst ein Jugendlicher namens Luk erhebliches Lob dafür verdient, den Weg zum Sängertempel wieder wegbar zu machen und sogar eine gemütliche Bank als Sitzgelegenheit aufzustellen, gibt es aktuell beunruhigende Bilder über die Gefährdung der Standfestigkeit des Kleinods auf den Hessischen Klippen.

Errichtung

Das Gesangswesen hat in der Stadt eine lange Tradition, schon 1837 gründete Karl-Friedrich Zelter die „Liedertafel“, den ersten Gesangsverein der Stadt. Es heißt, dass „deren Mitglieder zumeist aus einem Club hervorgingen, der sich der Geselligkeit und kulturellen Aufgaben widmete“. 1841 fand das erste Sängerfest statt, die zu diesem Anlass gestiftete Fahne trägt die passende Inschrift „Es schwinden jedes Kummers Falten, solang des Liedes Zauber walten“.

So gut das Sangesleben der Stadt dokumentiert ist, so wenig weiß man über kleinen Sängertempel. Die Klippe, auf der er steht, wird seit unbestimmter Zeit als Sängerklippe bezeichnet. Alte Postkarten lassen vermuten, dass der Sängertempel 1898 errichtet wurde. Damals sah er auch ganz anders aus – verspielt und passend zum damals vorherrschenden Jugendstil.

Wie der erste Sängertempel aussah, kann man auf alten Postkarten sehen, die es im Internet zu kaufen gibt.

Zerstörung und Wiederaufbau

In den Fünfziger Jahren muss dann diese erste Bauform ihr natürliches Lebensende erreicht haben. In einem persönlichen Gespräch wurde mir darüber berichtet, dass der damalige Bau einfach zusammengebrochen ist und die Klippen heruntergestürzt ist. Aber auch hierüber ist die Quellenlage äußerst schlecht.

Man wollte das Bauwerk dennoch wiedererrichten und so kam es am 14. April 1957 zur feierlichen Neueröffnung (siehe Beitragsbild) eines neuen – und wesentlich schlichteren – Sängertempels. Vielleicht hat man diesen Anlass sogleich mit dem 120en Geburtstags der „Liedertafel“ verbunden? Die vorliegenden Chroniken zum 150en und 175en Jahrestag der Liedertafel geben darüber aber leider keine Auskunft. Diesen auf dem Beitragsbild abgebildeten Bau können wir heute noch besuchen.

Vorbildliche Pflege

In den letzten Monaten hat ein Jugendlicher aus Bad Karlshafen in vorbildlicher Weise die Initiative den lange versperrten Weg zum Sängertempel wieder hergestellt und zudem noch eine bequeme Sitzgelegenheit für die müden Wanderer geschaffen.

Dazu heißt es im Bad Karlshafen Forum:

„Seit über 5 Jahren (!) war der offizielle Weg zum Sängertempel durch Äste und umgestürzte Bäume versperrt. Besucher wählten daher notgedrungen einen gefährlichen Schleichweg über eine Klippe. Dies ist nun Vergangenheit dank des Karlshafener Jugendlichen Luk, der schon positiv durch den Aufbau der Bismarckhöhe und die Reinigung der Infotafeln an der Diemelmündung auffiel. Luk hat den Weg mit viel Einsatz wieder begehbar gemacht, das Geländer repariert und sogar einen rustikalen, stabilen Sitzplatz im Sängertempel gebaut.

Dafür viel Respekt, Dank und Anerkennung !“

Dem Dank schließt sich Treffpunkt Hafenmauer mit großer Bewunderung über die geleistete Arbeit an!

Aktuelle Gefährdung

Leider ist aktuell die Standfestigkeit des Kleinods gefährdet, so dass vermutlich Sicherungsmaßnahmen erforderlich sind, um das Abrutschen des Sängertempels zu verhindern. Zudem steht diese gefährdete Stützmauer auch noch auf einem unterhöhltem Felsen, so dass es vermutlich mit einer Reperatur der Stützmauer nicht getan ist.

Mit freundlicher Genehmigung des Bad Karlshafen Forums hier ein paar Bilder, die die Dringlichkeit zu Handeln, illustrieren.

Die verantwortlichen Stellen sind informiert und haben eine zeitnahe Prüfung der Gefährdungslage zugesagt.

Wir können alle hoffen, dass dem Sängertempel nicht das gleich Schicksal ereilt, wie dem Charlottenstein.

Quellen

Bohn, Robert (2000): 1699-1999 Karlshafen – Wirtschafts- und Sozialgeschichte der Hessischen Planstadt aus der Barockzeit, Reihe ‚Beiträge zur Geschichte der Stadt Karlshafen und des Weser-Diemel-Gebiets‘, Band 11, Verlag des Antiquariats Bernhard Schäfer, Bad Karlshafen.

150 Jahre MGV Liedertafel

175 Jahre MGV Liedertafel

Bad Karlshafen Forum: http://www.badkarlshafen-forum.de/

Persönliche Informationen

 

 

Zeitreise: 1704 – Bau des Invalidenhauses

1704 gelingt König August II. (August der Starke) mit der Unterstützung von russischen Truppen die Einnahme von Warschau. Der sächsische Kurfürst lässt alle Häuser der Anhänger von Herrscher Stanislaus plündern und niederbrennen. Im gleichen Jahr wird Gibraltar wird von den Briten erobert. Und am 20. September wird Barbara Dietrich in Ingolstadt Opfer der Hexenverfolgung. Ein ereignisreiches Jahr.

Die Geschichte des „Hôtel des Invalides‟ begann im Jahr 1704. Der Bau dieses Gebäudes ging auf den Entschluss des Landgrafen Carl zurück „seinen im Feld der Ehre grau gewordenen und verwundeten Kriegern angemessene Pflege und hinlänglichen Unterhalt zu geben‟. In den Genuss dieser Einrichtung sollten sowohl Offiziere als auch Mannschaften kommen. Wie im Modell im Rathaus zu sehen ist, waren sogar zwei solcher Gebäude geplant – eine Planstadt wie Sieburg erforderte strenge Symmetrie. Das Vorhaben wurde jedoch aus Kostengründen aufgegeben.

Architektur

Das Invalidenhaus ist eine dreigeschossige Vierflügelanlage um einen rechteckigen Hof. Der Mittelteil des Hauptbaus mit dem Portal ist mit vier Pilastern gegliedert. Bekrönt wird er mit einem Tympanon mit dem Wappen der Landgrafschaft Hessen-Kassel. Aus dem Satteldach erhebt dort ein achtseitiger schiefergedeckter Dachreiter.

Bau und Nutzung

Am 15. März 1704 begann der Bau des Invalidenhauses, Baumeister war Friedrich Conradi. Die Errichtung erfolgte in vier Etappen: Zunächst wurde 1704 der Nordwestflügel auf der heutigen Kanalseite errichtet. 1705 folgte der Flügel mit der Kapelle auf der Straßenseite. 1706 wurde der Flügel auf der Diemel- und Kuhbergseite errichtet. Seinen Abschluss fand der Bau mit der Vollenendung des südöstlichen Flügels (Schulseite). Im Invalidenhaus befindet sich eine Kapelle, die 1708 durch den reformierten Garnisionsprediger Johann Bitter eingeweiht wurde. 1710 waren alle Arbeiten abgeschlossen und das „Hôtel des Invalides‟ konnte bezogen werden. Man geht von einer ersten Belegungsstärke von 80 Mann aus.

Während der französichen Besatzung hebt König Jerome 1806 die Funktion des Invalidenhauses auf – es erfolgen die ersten Vermietungen an Privatpersonen. Noch heute ist das Invalidenhaus ein Wohnhaus.

Die Kapelle des Invalidenhauses

Die Invalidenhauskapelle war dann auch die erste Kirche der Stadt. Sie bot bis zu 200 Gläubigen Platz, auch heute noch. Die ersten Kirchengemeinden waren die französisch-reformierte und die deutsch-reformierte Kirchengemeinde, 1713 kam eine deutsch-lutherische Gemeinde hinzu. Alle Versuche, eigene Gotteshäuser zu errichten, scheiterten vor allem an einem, dem Geld. Im 19. Jahrhundert gab es weitere Kirchenbauversuche, 1825 kam es zum Zusammenschluss der französisch-reformierten und der deutsch-reformierten Kirchengemeinde – in diesem Jahr fand auch der letzte Gottesdienst in französischer Sprache statt. 1929 schlossen sich schließlich die reformierte und die lutherische Gemeinde zur evangelischen Kirchengemeinde zusammen.

Endlich, im Jahr 1962 wurde eine eigenständige evangelische Kirche am Rand des Hafenbeckens errichtet – an der Stelle, an der früher die alte Oberförsterei gestanden hat.

Die Kapelle im Invalidenhaus wird heute von der neuapostolischen Gemeinde genutzt.

Anmerkung

Nach der Lektüre dieses Blogbeitrags ist Ihnen sicherlich der Fehler auf dem 75-Pfennig-Notgeld-Schein aus dem Jahr 1922 aufgefallen? Richtig, das dort genannte Jahr 1706 ist falsch. Aber in diesen schrecklichen Inflationszeiten hatte man andere Probleme als das richtige Baujahr eines Gebäudes auf einem Geldschein.

Quellen und zum Weiterlesen

Bohn, Robert (2000): 1699-1999 Karlshafen – Wirtschafts- und Sozialgeschichte der Hessischen Planstadt aus der Barockzeit, Reihe ‚Beiträge zur Geschichte der Stadt Karlshafen und des Weser-Diemel-Gebiets‘, Band 11, Verlag des Antiquariats Bernhard Schäfer, Bad Karlshafen.

Kasseler Sparkasse (Hrsg., 1999) Landgraf Karl und die Gründung von Karlshafen 1699-1999, Verlag Weber & Weidemeyer, Kassel.

Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Invalidenhaus_(Bad_Karlshafen)

Fotos:
Invalidenhaus: Von Jan Stubenitzky (Dehio) – Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0
Geldschein: Scanned from original by Link

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