Zeitreise: Ein Sommernachmittag im Freibad Karlshafen

Erinnert ihr euch nicht auch noch gerne daran zurück? Die Sommerferien hatten begonnen, endlich würde es ein heißer Tag werden und man hatte nichts anderes vor, als spätestens nach dem Mittagessen ins Mineralfreibad aufzubrechen, um den Rest des Tages dort zu verbringen? Man kam dann auf die Weserbrücke und stellte zu seiner Enttäuschung fest: Der Drei-Meter-Turm war bereits gesperrt, es musste also schon zu dieser frühen Stunde bereits brechend voll sein. Aber egal, es würde trotzdem ein toller Nachmittag werden …

Heute möchte ich euch mitnehmen, eine meiner schönsten Erinnerungen aus Kinder- und Jugendtagen mit mir zu teilen: Die Zeit im Freibad. Ich hatte den Text bereits mehrfach hier und bei Facebook veröffentlicht. Doch steht für mich bereits seit Monaten fest, ihn auch in diesem Sommer noch einmal zu publizieren.

Nicht nur in den sechs Wochen langen Sommerferien, auch an jedem sonnigen Tag zwischen Mitte Mai und Mitte September war man in der Regel dort: Im alten Karlshafener Freibad. Schon früh fing es an, ich (Jahrgang 1967) kann mich bereits an Besuche in der ersten Hälfte der 70er Jahre erinnern. Damals war alles noch sehr groß und auch das Wasser im ‚kleinen Becken‘ noch sehr tief.

Aber mit den Jahren wurde es besser, ab dem elften Lebensjahr war man eigentlich an allen sommerlichen Tagen im Freibad. Natürlich hatte man eine Jahreskarte für meiner Erinnerung nach 30 Mark. Und obwohl diese auch für das damals noch existente Hallenbad in Helmarshausen galt, hatte man den für einen Jugendlichen damals hohen Preis fast immer schon in der Freibadsaison ‚herausge­schwommen‘.

Meist ging es nach dem Mittagessen. Umziehen brauchte man sich nicht, hatte man die Badehose bereits unter die kurze Hose gezogen. Im Schwimmbad angekommen, suchte man sich zunächst einen Platz auf der großen Liegewiese. Meist fand man schnell seine Freunde, so dass man sich eigentlich immer auf den gleichen Teil der Liegewiese legte. Wir waren meist recht nah am Ufer der Weser, an der damaligen Grenze zum Campingplatz.

Das in Schwimmbädern übliche Gebot, sich vor dem Schwimmen abzuduschen, überging man des Öfteren geflissentlich. Es war ja ‚viel cooler‘, gleich nach der Ankunft und vor allem trocken auf den (geöffneten) Drei-Meter-Turm zu steigen. Es wäre vielleicht übertrieben zu sagen, dort verbrachte ich mehr Zeit als im Wasser. Doch war der Anteil dort oben sicherlich nicht unerheblich.

Doch kamen natürlich an einem heißen Sommertag auch viele andere auf den gleichen Gedanken. Man stand also dort oben und beobachtete die Leute, vor allem die Mädchen. Und man hatte immer auch einen Blick auf den Bademeister. In Karlshafener Freibad war das zumeist der gute Herr Hermann, vertretungsweise auch Herr Hüther. Hermann hatte natürlich etwas dagegen, dass sich so viele Leute auf dem Sprungturm sammelten. Entweder persönlich und vor Ort oder per Durchsage aus seinem ‚Wachtturm‘ hieß er uns, doch endlich vom Dreier herunter zu springen. Half dies nicht, so drohte er uns, den Sprungturm zu sperren. Nach kurzer Zeit war natürlich wieder alles beim alten. Also wurde ‚unser‘ Drei-Meter-Turm gesperrt.

Eine Herausforderung, gegen die natürlich etwas unternommen werden musste. Die Sperrung des Turms wurde immer durch ein ca. ein Meter zwanzig mal fünfzig Zentimeter großes Brett angezeigt, das die Leiter hinauf auf den Turm versperrte. Als junger Mensch konnte man an diesem ‚Ärgernis‘ vorbei ohne größere Probleme die Leiter hochklettern. Oft wurde das ‚Hindernis‘ auch einfach zur Seite gestellt oder auch schon mal über die Brüstung geworfen, wo es dann unten auf der Wiese landete. Jedem war klar, dass man sofort aus dem Schwimmbad hinausgeschmissen wurde, wenn man bei einer solch frevelhaften Tat erwischt wurde. Aber der Nervenkitzel und das Abenteuer ließen einen schon bald wieder die Gelegenheit ergreifen – Risiko hin oder her.

Waren die Sprunganlagen – neben dem Dreier waren da noch zwei Einmeter-Sprungbretter – komplett gesperrt, war auch meistens die Trennleine zwischen Sprung- und Schwimmbereich entfernt. Eine Trennung der beiden Bereiche war ja aufgrund der fehlenden Gefährdung durch die ‚Springer‘ entfallen. Diese Trennleine stand auch des Öfteren in Mittelpunkt des Geschehens. War sich gespannt, eignete sie sich hervorragend dazu, es sich auf ihr bequem zu machen. Saßen also genug Personen auf dieser Trennleine, gab es hierzu selbstverständlich auch gleich die entsprechende ‚Ansage per Durchsage‘. Eine andere Funktion dieser Trennlinie war es, den Springern vom Dreier als Hindernis zu dienen, welches es zu überwinden galt. Zogen befreundete Schwimmer die Leine nach vorne, konnte man sie mit ausreichend Anlauf fuß- oder kopfwärts überwinden. Dass das ebenfalls verboten war, braucht an dieser Stelle wohl kaum betont zu werden.

Sprang man vom Drei-Meter-Turm, geschah dies natürlich auch nicht immer regelkonform. Besonders diejenigen unter uns, die gerne Leute nass spritzten, waren mit der richtigen Spungtechnik – der uns allen bekannten ‚Arschbombe‘ – in der Lage, einen ziemlich weiten Bereich am Beckenrand abzudecken. War der nächste Springer von jeweiligen Einer zurückgehalten, ging es mit einem meist sehr schrägen Sprung darum, eine in der Nähe des Beckenrandes ahnungslos Person vom trockenen in den nassen Zustand zu überführen. Der Ärger war nachher zumeist groß, einmal habe ich mir sogar einmal eine Ohrfeige einer jungen Frau eingehandelt. Auch dieses Vergehen wurde im Fall der Fälle schon einmal mit einem ‚Rausschmiss‘ geahndet. Noch verbotener – wenn es also noch eine Steigerung eines Verstoßes gegen die Badeverordnung geben konnte – war das Springen vom Drei-Meter-Turm auf das Einmeterbrett. Dazu stellte man sich (zumeist an den linken Rand des Geländers und sorgte zunächst dafür, dass niemand auf dem Einmeterbrett stand. Von der linken Ecke des Sprungturms (nach rechts habe ich es komischerweise nie gemacht und auch nie bei anderen gesehen) sprang man gerade auf den vorderen Teil des Sprungbretts und von da aus zumeist mit einem Kopfsprung ins Wasser.

Das Freibad diente uns eigentlich nicht in seiner ursprünglichen Funktion als Schwimmbad, sondern eher als ‚Spaßbad‘. Doch nahm man sich ab und zu auch einmal die Zeit, und legte die damals üblichen Schwimmprüfungen ab. Neben Frei- und Fahrtenschwimmer gab es den ‚Jugendschwimmschein‘, bei dem mehrere verschiedene Übungen zu absolvieren waren. Ein Prüfungsteil – so erinnere ich mich noch, war die Kenntnis der Schwimm- und Baderegeln. Der theoretische Wissensstand war also durchaus vorhanden, es mangelte vielmehr am Willen der praktischen Anwendung. Für die ganz Hartgesottenen gab es noch die ‚Totenkopf-Abzeichen‘ mit einer Stunde (Schwarzer Totenkopf), anderthalb Stunden (Silberner Totenkopf) sowie zwei Stunden Dauerschwimmen (Goldener Totenkopf). Jeder, der einen der letzt genannten Schwimmprüfungen abgelegt hat, weiß, dass man danach kaum mehr in der Lage war, weder gerade zu stehen noch einige Meter geraden Schrittes zu gehen.

Insgesamt schienen alle Regeln (Sitzen auf der Trennlinie, schräges Springen von den Sprungbrettern, Springen vom Beckenrand etc.) damals sowieso dazu gemacht worden zu sein, um von uns missachtet zu werden. Machte man mal keinen Unfug, so lag man auf der großen Liegewiese und ließ sich in der Sonne braten. Hatte man noch Taschengeld, so setzte man es in dem oberhalb der Umkleidekabinen befindlichen Kiosk in Eis und Cola um. Ab und zu gab es auch mal Pommes, sie hatten dort immer diese geriffelte Variante. Dies war der Fall, wenn man bereits sei dem frühen Vormittag im Freibad weilte und bekam langsam Hunger bekam.

Ging man dann spätestens um sieben nach Hause, war man hungrig und hatte zumeist einen schönen Tag im Freibad verlebt. Und die Vorfreude auf den nächsten Tag wuchs mit jedem Meter des Heimwegs, trotz des unvermeidlichen Sonnenbrands.

Na, wie war das damals bei dir? Kommen die Erinnerungen zurück?

Unter https://treffpunkt-hafenmauer.de/die-guten-alten-zeiten/ gibt es noch fünf weitere Geschichten aus den guten alten Zeiten.

Lebenswege unterm Hakenkreuz: Nationalsozialismus im Weserbergland – Täter, Opfer, Gegner

Das vorliegende Buch ist in den Jahren 2016 bis 2024 entstanden und ist eine Fortführung der 2016 herausgegebenen Studie „Nationalsozialismus im Weserbergland“. Heraus kam eine Dokumentation mit siebenundzwanzig Biografien von unterschiedlichsten Männern, die als Täter, Opfer oder Gegner im Nationalsozialismus des Weserberglands eine gewichtige Rolle gespielt haben und deren Schicksal lange nicht bekannt war.

Der Verlag Jörg Mitzkat schreibt in seinem Klappentext:

Wie vollzog sich die nationalsozialistische Machteroberung in den Dörfern und Kleinstädten des Weserberglands? Wer waren die Täter, die Aufmärsche und Saalschlachten organisierten und später Verhaftungen befahlen? Wer fiel den zahllosen Übergriffen zum Opfer?  Wer trat dem Siegeszug der NS-Bewegung entgegen und widersetzte sich dem Anpassungsdruck der neuen Machthaber?

Dieses Buch sucht nach Antworten auf diese Fragen. Die von den Autoren recherchierten 27 Biografien aus den früheren Kreisen Holzminden, Höxter, Hofgeismar und Uslar zeigen sowohl Karriereverläufe in der NS-Bewegung als auch den Überlebenskampf von Opfern und Gegnern unter den Bedingungen einer barbarischen Diktatur. Da die Lebenswege dieser unterschiedlichen Menschen eingebettet sind in die Geschichte einzelner Orte und Betriebe, vermittelt die Publikation auch Einblicke in den politischen Alltag der Region in den Jahren der Weimarer Republik und des „Dritten Reiches“.

Inhaltsverzeichnis

1. Vorbemerkung
2. Einleitung
3.
Wegbereiter der NS-Bewegung
4.
Die „nationale Erhebung“ im Industriedorf Bodenfelde
5.
Die Gleichschaltung eines Dorfes am Beispiel von Lippoldsberg
6.
Widerstand in Amelith und Polier
7.
Anpassung und Widerstand in Uslar
8.
Nationalsozialistische Herrschaft in Beverungen
9.
Gewaltpolitik in Holzminden
10. Widerstand in sowjetischen Gefangenenlagern
11.
Anhang

Persönliche Meinung

Dieses Buch ein Lesebuch der besonderen Art: Biografien über Menschen wie du und ich, nur in einer anderen Zeit und unter anderen politischen Bedingungen. Aber jeder, der sich für die Geschichte seiner Heimat interessiert, sollte einmal einen Blick in das Buch werfen. Gerade auch unter dem Gesichtspunkt, dass auch jetzt wieder die Gefahr besteht, dass wir uns als Gesellschaft radikalisieren und gezwungen werden, wieder einen eindeutigen Standpunkt einzunehmen. Und wie bereits im ersten Buch vermitteln die „Lebenswege“ einen wichtigen Einblick in den politischen Alltag der Region in der Zeit von Weimarer Republik und „Drittem Reich“.

Bibliographische Daten

Wolfgang Schäfer, Hans-Jörg Lange, Christoph Reichardt: Lebenswege unterm Hakenkreuz – Nationalsozialismus im Weserbergland – Täter, Opfer, Gegner, 2024, Hartcover, 26,00 Euro, Verlag Jörg Mitzkat, Holzminden, ISBN 978-3-95954-166-4.

Foto: Verlag Jörg Mitzkat

Nationalsozialismus im Weserbergland

‚Konfrontationen in der Kurstadt – Karlshafen am 10. Juli 1932‘ – so heißt eines der Unterkapitel des bereits 2016 erschienenen Sachbuchs ‚Nationalsozialismus im Weserbergland – Aufstieg und Herrschaft 1921 bis 1936‘. In diesem Kapitel wird beschrieben, wie ein Aufmarsch der SA zu blutigen Auseinandersetzungen mit der KPD führte. So wie für Karlshafen beschreibt das Buch für viele Orte des Weserberglandes die Entwicklungen, die dazu führten, dass die Nationalsozialisten hier Macht übernehmen konnten. Es zeigt, wo sich die Hochburgen der Nazis befanden, wie sie durch bestimmte regionale Zeitungen gezielt unterstützt wurden und wie die Justiz deutliche Unterschiede machte zwischen ‚linken‘ und ‚rechten‘ Straftaten. Doch nicht überall konnten sie die Bastionen im Sturm erobern, oftmals gab es (blutigen) Widerstand.

Diesen Beitrag habe ich bereits einmal 2018 veröffentlicht – aber aufgrund der bevorstehenden Bundestagswahl ist es nicht falsch, sich erneut mit diesem Abschnitt der Geschichte zu beschäftigen.

Der Inhalt

Der Verlag Jörg Mitzkat schreibt in seinem Klappentext:

Heinrich Mohnsam starb nach einer Saalschlacht in Grebenstein. Ludwig Decker verblutete auf einer Straße von Beverungen. Eduard Rüddenklau und David Austermühle erlagen den Verletzungen, die ihnen SA- und SS-Leute in Hofgeismar zugefügt hatten. Machteroberung und Herrschaft der NSDAP erfolgten nicht heimlich und nicht leise, sondern in aller Öffentlichkeit und gewaltsam. Auch das idyllische Weserbergland erlebte in den Jahren 1931 bis 1933 bürgerkriegsähnliche Verhältnisse. Nach Hitlers Ernennung zum Reichskanzler fanden in den heutigen Kreisen Holzminden, Höxter, Northeim und Kassel zahllose Übergriffe von SA und SS auf tatsächliche und vermeintliche Gegner des NS-Regimes statt. Das Buch von Christoph Reichardt und Wolfgang Schäfer untersucht die Voraussetzungen und Verlaufsformen der nationalsozialistischen Machteroberung in der Provinz und schildert das Alltagsleben in den Dörfern und Kleinstädten des Weserberglands in den ersten Jahren der NS-Diktatur.

Inhaltsverzeichnis

    1. Einleitung
    2. Der Aufstieg des Nationalsozialismus
    3. Politik und Gewalt in der Weimarer Republik
    4. Die Eskalation politischer Gewalttäter
    5. Die ‚Blutwahlen‘ vom 31. Juli 1932
    6. Agonie einer Demokratie
    7. Die Machteroberung der Nationalsozialisten 1933
    8. „Die Volksgemeinschaft marschiert“
    9. Portraits
    10. Schlussbetrachtung
    11. Quellen und Literaturverzeichnis
    12. Ortsregister

Leseprobe

Persönliche Meinung

Dieses Buch ist kein Lesebuch, dies schon mal vorab. Aber jeder, der sich für die Geschichte seiner Heimat interessiert, sollte einmal einen Blick in das Buch werfen. Man erfährt, dass die Nationalsozialisten in einem Ortsteil des heutigen Bad Karlshafen damals eher empfänglich waren für die Extreme von rechts und links, während der andere doch sehr sozialdemokratisch geprägt war. Am meisten hat mich erschrocken, dass bei Auseinandersetzungen im Weserbergland allgemein die rechten Gewalttäter oftmals geringer bestraft wurden als die vom linken Lager. Sehr interessant sind auch die 29 Portraits von wichtigen Persönlichkeiten aus dieser Zeit. Hier werden die Schicksale einiger Täter und Opfer personalisiert.

Bibliographische Daten

Christoph Reichardt, Wolfgang Schäfer: Nationalsozialismus im Weserbergland – Aufstieg und Herrschaft 1921 bis 1936, 2016, 2., korrigierte Auflage, Hartcover, 28,00 Euro, Verlag Jörg Mitzkat, Holzminden, ISBN 978-3-959540-16-2.

Das Buch ist derzeit vergriffen, eine Neuauflage ist in Vorbereitung. Sicher ist es bis dahin antiquarisch erhältlich.

Foto: Verlag Jörg Mitzkat

Schneevergnügen am Brandenberg

1.100 Meter, 150 Meter Höhendifferenz und 15 Minuten Fussweg – nackte Zahlen zu einem wunderbaren Erlebnis aus meiner Kindheit und Jugend: Die Schlittenfahrt von der (damaligen) Schutzhütte Brandenberg, an Hochbehälter und Eisenbahnerheim vorbei den Triftweg hinunter und an der Evangelischen Kirche vorbei bis zur Hafenmauer. Heute möchte ich noch einmal so richtig mit Ihnen Schlitten fahren …

Früher war nicht nur mehr Lametta, es gab auch noch richtige Winter

Ich denke gerne an die recht strengen Winter in den Siebziger Jahren zurück. Es war kalt, vor allem lag jedoch so lange Schnee, so dass es sich lohnte, seine Haus-Schlittenbahn entsprechend zu präparieren. Bald über den bewohnten Grundstücken am Triftweg begann die Forststraße, die geradezu ideal als Schlittenstrecke zu benutzen war. Sie war wenig befahren und zudem so steil, dass sie sowieso kein Auto hätte erklimmen können. Eigentlich galt das für den gesamten Triftweg: Hatten einige wenige Autos den Schnee festgefahren und war er in der eiskalten Nacht überfroren, so war spätestens oberhalb des Kindergartens die Fahrt mit dem eigenen Auto vorbei. Wohl oder übel musste man dabei den entgegenkommenden Rodlern ausweichen, die auf ihren Schlitten den steilen Berg hinunter sausten. Mitunter waren sie bereits einige Minuten unterwegs, denn vermutlich begann ihre Schlittenfahrt an der damaligen Schutzhütte Brandenberg.

Streckenführung

War das erste Teilstück nahe der ehemaligen Schutzhütte noch sehr flach, wurde es sehr bald sowohl steil als auch gefährlich. Am Hochbehälter hatte man bereits erheblich an Fahrt aufgenommen, bevor es das gefährlichste Hindernis der Strecke zu nehmen galt: Die enge und strenge Rechtskurve. Gelang es einem hier nicht, entsprechend umzusteuern, so fuhr man geradewegs direkt in das Gehölz in den Wald. Das kommende Stück an der Kiefer vorbei bis an die Grundstücksgrenze des Eisenbahnerheims war recht steil und man war immer noch recht schnell unterwegs. Bis zum ehemaligen Forsthaus wurde es etwas flacher, dort endete der erste Teil der Strecke.

In der Diashow sehen Sie den Streckenverlauf. Bei zügiger Fahrweise würde man die Strecke wohl in fünf bis sieben Minuten absolvieren (Die vereiste Straße und die schneeverhangenen Bäume müssen Sie sich natürlich dazudenken).

Hier traf man bereits oft auf Kinder und Jugendliche, die nicht bereit waren, soweit in den Wald hinauf zu laufen. Es war aber auch ein guter Startpunkt, denn hier wurde es wieder richtig steil. Die zweite scharfe (und doppelte) Kurve befand sich dann kurz vor dem Ziel, Ecke Triftweg / Gallandstaße / Lutherstraße. Die letzte Herausforderung war, nicht mit seinem Schlitten gegen die Hafenmauer zu fahren. In diesen richtig kalten Wintern befand sich die eine Hälfte der Kinder auf den diversen Schlittenstrecken, die andere drehte auf dem zugefrorenen Hafen und auf Schlittschuhen seine Runden.

Die anderen Schlittenstrecken

War die Schlittenstrecke von der Schutzhütte Brandenberg bis zur Hafenmauer vielleicht die schönste und vermutlich auch die längste unter den präparierten Pisten, so gab es natürlich auch noch viele andere: Der kleine Hügel bei der Einfahrt zu Massagepraxis Gaminek war bereits wenige Stunden nach dem ersten Schneefall eine reine Eisbahn – so gut wurde sie frequentiert. Soweit ich weiß, gab es in der Gartenstadt auch eine tolle Schlittenstrecke aus Richtung Forelllenhof den Wald einen Weg herunter. Nicht zu vergessen natürlich die Piste unterhalb der Krukenburg – an den Huppeln dort habe ich einmal einen meiner Schlitten geschrottet. Die richtig coolen Kinder aber hatten ihre eigene Strecke: ‚Assauers Kamp‘ am C.-D,-Stunz-Weg. Sehr steil, ständig vereist und ziemlich gefährlich. Heute stehen dort größtenteils Wohnhäuser.

Gefahren

Kam man am Nachmittag nach einem Schultag hinauf zum Hochbehälter und war am Morgen ’schulisches Schlittenfahren‘ befohlen, führten doch einige Spuren an der engen Kurve am Hochbehälter direkt geradeaus in den Wald. ‚Uns Profis‘ konnte das natürlich nicht passieren. Ob es bei diesem Ausflug ins Gehölz jemals Verletzte gab, das weiß ich nicht. Einer von uns ist mal gegen die Kiefer etwas weiter unten gefahren, was meiner Erinnerung nach auch glimpflich ausgegangen ist. Einzig einer unser Kollegen hat sich einmal seinen Daumen gebrochen – natürlich fuhr man ‚Baucher‘ und hielt sich entsprechend am Schlitten fest. Jedes Hindernis suchte sich dann natürlich seine entsprechende ‚Sollbruchstelle‘.

Zwei Anekdoten

1: Als Reaktion auf die Ölkrise wurde in Deutschland an vier Sonntagen ein allgemeines Sonntagsfahrverbot auch für den Pkw-Verkehr verhängt: Am 25. November, sowie am 2., 9. und 16. Dezember 1973. Meiner Erinnerung ging das mit ausreichend Schnee einher, so dass wir an diesen Tagen noch weniger Angst vor eventuell kreuzenden oder entgegenkommenden Autos haben mussten.
2: Es gab einmal den heroischen Versuch, die Straße vom damaligen Forsthaus bis zu Schäfers Damwildgehege mit dem Schneeschieber zu räumen. Gestreut wurde offensichtlich nicht, das Ganze überfror über Nacht und für einige Tage hatten wir die schönste Eisbahn zum Rodeln.

Ja, damals …

Leider fehlt es heute im Gegensatz zu früher an fast allem: Den schneereichen Wintern, rodelnden Kindern und dem Sonntagsfahrverbot. Heute würde der Triftweg als Hauptbestandteil der Schlittenstrecke vermutlich sofort geräumt, zudem haben die Autos heute stärkere Motoren.

Aber ich durfte es noch erleben, von einer Höhe von 256 Metern hinunter auf 106 Meter 1,1 Kilometer rodeln zu können – eine Strecke, für die man in diese Richtung zu Fuß gute fünfzehn Minuten benötigt. Eine schöne und für mich wertvolle Erinnerung.

Verwendete Quellen und zum Weiterlesen

Wikipediabeitrag zum Wochenendfahrverbot

Kurzgeschichte „Themenführung ‚Die Carlsbahn in Bad Karlshafen‘”

Anlässlich des Vortrags „Die Carlsbahn – Hessens älteste Eisenbahnstrecke” von Dr. Lutz Münzer am Donnerstag, dem 18. April 2024, um 19.00 Uhr in der Alten Mühle in Trendelburg heute eine Kurzgeschichte aus meinem Buch „Bad Karlshafen 2.0: Visionäres Kopfkino für die nördlichste Stadt Hessens” aus dem Jahr 2016.

Es handelt sich um die Geschichte eines fiktiven Stadtrundgangs durch Bad Karlshafen auf den Spuren der Carlsbahn, die ab 1848 Carlshaven mit Hümme und Cassel verband.

Dies war die Ankündigung:

Bad Karlshafen: Samstag, 18. Mai 2019, 10.00 Uhr: ›Themenführung Carlsbahn‹, 75 min. Rundgang mit Christian Bachmann, anschließend Möglichkeit zum Besuch der Fotoausstellung ›Die Carlsbahn gestern und heute‹. 5,00 Euro pro Person. Treffpunkt: Weserufer hinter dem Landgraf-Carl-Haus. Anmeldung nicht erforderlich.

Wie gesagt, alles ist fiktiv, auch die Fotoausstellung. Doch wäre das nicht eine schöne Ergänzung des touristischen Angebots?

Doch lesen Sie selbst die interessante Eisenbahnhistorie unserer Stadt, eingebettet in eine spannende Kurzgeschichte.

PS: Die Fahrzeit des Zuges vom Bahnhof Carlshaven, linkes Ufer, zum Bahnhof Helmarshausen betrug laut Reichs-Kursbuch der Deutschen Reichsbahn vier Minuten.

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